von Renate Lück
Der neue Vorstand von „Nachbarn in Not“, Jürgen Haar, blickte bei der Mitgliederversammlung auf ein ereignisreiches und erfolgreiches Jahr 2022 zurück. Trotz Pandemie und Krieg wurden zum ersten Mal über 300 000 Euro für die Sindelfinger Hilfsorganisation gespendet. 1547-mal konnte im letzten Jahr geholfen werden. Zum vergangenen Jahr gehört nicht nur der Wechsel im Vorstand, sondern auch die Ehrenplakette der Stadt an Dr. Roswitha Seidel, die mit der Unterstützung für bedürftige Menschen begann und den Verein 37 Jahre leitete.
Jürgen Haar erinnerte bei dieser Gelegenheit auch an die weiteren Gründungsmitglieder sowie an die Unterstützer von der SZ/BZ, den früheren Verleger Werner Röhm und den ehemaligen Chefredakteur Winfried Holtmann. Nun führt der Enkel von Werner Röhm, Dr. Christian Röhm, die Tradition fort und markiert zusammen mit dem neuen Mitglied, dem gebürtigen Sindelfinger und IBM-Manager Salvatore Romeo, die jüngere Generation, die dazu beitragen wird, den Verein zukunftsfähig zu machen, so Jürgen Haar. Zur Zukunft gehört auch das geplante Bürger- und Kulturzentrum an der Gartenstraße, von dem der Vorsitzende hofft, dass es hier auch mobile Räume für Besprechungen des „Nachbarn in Not“-Teams geben wird. Denn zur Zeit finden die Besprechungen des Vorstands in privaten Räumen statt.
Das hohe Spendenaufkommen im vergangenen Jahr, so der Vorsitzende, kommt auch aus mehreren hohen Beträgen einzelner Spenden. So wurden zweimal 20 000 Euro überwiesen – von einem Senior aus Sindelfingen und einem Sindelfinger Ehepaar, das sein Auto verkaufte und den Erlös der Hilfsorganisation gab. Aus einem Erbe stammen 10 000 Euro. Neben Organisationen und Firmen wie die Vereinigten Volksbanken und die Kreissparkasse, die Stadtwerke Sindelfingen, die Firma AT Iser, die Rotary Clubs in Böblingen-Schönbuch und Sindelfingen, sowie die Fußballer des Weißen Balletts gibt es inzwischen mehr regelmäßige Spender.
„Das heißt ‚Nachbarn in Not‘ ist in Sindelfingen und Umgebung bekannt und stark verwurzelt“, folgert Jürgen Haar. Mit 160 000 Euro konnte der Verein 1574-mal helfen. Darin sind auch Gutscheine enthalten, die Senioren zu Weihnachten eine Freude machten und 70 Neun-Euro-Tickets, mit denen Bedürftigen ein Ausflug ermöglicht wurde. In diesem Sinne denkt der Vorstand über das 49-Euro-Ticket nach.
Ein Erfolg war auch der Aufruf, die Energieprämie zu spenden und an Bedürftige weiterzugeben, wozu Gaby Gettler vom Haus der Familie den Anstoß gab. Wie nötig diese Hilfe oft ist, zeigt das Schicksal einer Frau, deren Sohn und Ehemann kurz nacheinander starben. Der Mann benötigte ein Sauerstoffgerät, das viel Strom verbrauchte. Nun stand die Frau da mit Nachforderungen für den Strom und den Kosten für die Beerdigungen, die sie alles aus dem Regelsatz der Sozialhilfe bezahlen sollte. „Nachbarn in Not“ hat auch hier geholfen.
Eine neue Form von Armut ist neben der Altersarmut, die 238-mal Grund für Anträge war, die sogenannte Energiearmut, die zehn Prozent der Bevölkerung betrifft, wie die stellvertretende Vorsitzende von „Nachbarn in Not“, Carmen Bühl, weiß. Das ist definiert als eine Situation, in der ein Haushalt oder eine Person grundlegende Energieleistungen wie Heizung, Kühlung, Beleuchtung, Mobilität oder Strom nicht bezahlen kann, was sich auf die Gesundheit und die Psyche auswirkt. „Wir sind froh über die Kooperation mit den Stadtwerken, die Energieschulden an die städtische Erstberatung verweisen, die prüft, ob ein Antrag bei ‚Nachbarn in Not‘ gestellt werden kann“, berichtete sie.
Feste Ausgaben der Hilfsorganisation sind die Erfüllung von Weihnachtswünschen Bedürftiger und Zuschüsse für Freizeitaktivitäten von Kindern und Jugendlichen in den Sommerferien. Die häufigsten Bitten betreffen Alltagsdinge, wie Reparaturen, Waschmaschinen, Brillen oder Umzüge. Um das erfüllen zu können, tragen auch die „NiN-Kreativen“ Lisa Polz, Gabi Reidelbach und Monika Bürkle bei, die mit ihren Holz- und Naturmaterialarbeiten zu Ostern, im Herbst und im Winter insgesamt 9500 Euro einnahmen.
Die Vereinsformalitäten waren schnell erledigt. Die Kassenprüferinnen Helga Friedrich und Waltraud Grünwald bescheinigten Geschäftsführerin Biggi Haug, Buchhalterin Doris Martini und dem Finanzvorstand Peter Heinkele akkurate Kassenführung und schlugen ihre Entlastung vor. So kann der Vorstand in bewährter Form weiterarbeiten.